Das neue Jahr ist noch nicht mal ein Jahr alt, da gibt es schon Probleme. Nein, nicht mit Covid, auch wenn unsere Kliniken an ihre Belastungsgrenze gestoßen sind und die Infektionszahlen steigen. Nein, ich meine den Brexit, denn er belastet nicht nur unsere Nachbarn im Osten, sondern hat auch einen Einfluß auf uns, denn die meisten der Waren, die für uns bestimmt sind, finden ihren Weg über Dover.

Das war natürlich Jahrzehntelang kein Problem, denn Großbritannien war in der EU, und der Binnenmarkt erlaubte den freien Transport. Das ist nun anders, denn statt der großspurigen Ansage der Brexiteers, weniger Bürokratie zu haben – man hatte immer behauptet die EU wäre ein bürokratischer Moloch -, ist das Gegenteil der Fall. In der Praxis ist es so, dass mehr Papiere notwendig sind, um die Waren von A nach B zu transportieren. Der Schuldige ist natürlich klar, denn Schuld hat Frankreich, die EU, Brüssel, Schottland, Nordirland, überhaupt die ganze Welt.
Dabei war es Großbritannien, das darauf drängte, Single Market und Customs Union zu verlassen. Nun kommen die überraschten Rufe dass das so ja gar nicht geplant war, beziehungsweise man nicht dafür gestimmt hat. Wer dieses ganze Theater verfolgt hat, besonders die Unterhausdebatten, der erinnert sich, wie überzeugt Brexiteers so getan haben, als würde sich für Großbritannien gar nichts ändern.
Man sei zwar nicht mehr im Club, aber man könne immer noch den Wellnessbereich nutzen, gar kein Problem. Die Realität indes sieht anders aus und man hat Johnson und die ganzen Clowns vor den Folgen gewarnt, die das ganze als Project Fear abtaten. Nun ist der Brexit komplett vollzogen und das Chaos, nicht nur für Großbritannien, ist perfekt.
Supermärkte auf der britischen Insel haben Schwierigkeiten die Regale, besonders mit Obst und Gemüse aus der EU, zu füllen. Das Gleiche gilt hier in Irland. Der Auto-Journalist Bob Flavin beispielsweise, hat auf seiner Facebookseite mehrere Photos online gestellt, die leere Fächer in den Kühlschränken zeigen, sowie leere Obst- und Gemüsekisten in einer Lidl Filiale.
Ich war erst am überlegen, ob ich bei Executive-Shaving in Glasgow mein Zubehör für die Rasur bestellen soll, da sie dort Sachen haben, die irische Shops nicht anbieten, aber da die neue Mutation von Covid grassierte und der Brexit kurz vor der Tür stand, habe ich darauf verzichtet. Dann habe ich bei Regatta eine neue Regenjacke bestellt, schließlich befindet sich Irland nicht in der Karibik.
Da die Firma Regatta ihren irischen Sitz bei uns in Cork hat, ging ich davon aus, dass auch das EU-Lager hier auf der Insel ist, aber nein. Das Lager befindet sich beim Hauptsitz, und der ist in England, genauer in Manchester. Der Customer Service hat mich dann darüber informiert, dass es zu Verzögerungen kommt und man mich informieren wird, sobald das Paket, zusammen mit anderen Paketen für die EU, das Land verlassen hat.
Von Dover tritt das Paket seinen langen weiten Weg nach Rosslare an, und dann zu mir. Da ich mehrere Sachen der Firma Regatta besitze, werde ich also brav auf meine Sachen warten.
Die Meldungen der britischen Regierung und der Torytreuen Medien dazu, klingen wie das Pfeifen im Wald, und erinnern an die Jubelmeldungen aus ehemaligen sozialistischen Staaten, wenn die Regierungspartei mit 99,9% abgeschnitten haben – die Baath Partei im Iraq schaffte sogar das Kunststück von 107%. Die schottische Fischerei ist völlig zum erliegen gekommen da der Fisch Hauptsächlich nach Europa – vor allem nach Frankreich – exportiert wird. Der Vorsitzende des schottischen Fischerverbandes, Ian Gatt, kritisierte, dass niemand in Westminster daran interessiert war die Interessen der Fischer zu berücksichtigen.
Fisch ist in den Küstenstädten die Haupteinnahmequelle und die Transport LKW‘s stehen in den Unterständen, weil der Fisch verrottet. Da man nicht weiß, wie es weitergeht, stehen die schottischen Fischer langsam vor dem Ruin, da sie nicht rausfahren können. Viele fürchten um ihre Existenz da ihre Kunden lieber regional bestellen, als auf Gammelfisch aus Schottland zu warten.

Um Ihrem Unmut Luft und auf Ihre Lage hinzuweisen, gab es am Montag Proteste schottischer Fischer, die ihren Fisch vor dem Westminster auf die Straße kippten und die Regierung aufforderten endlich tätig zu werden, dazu gehört, dass Johnson das Thema Fischerei nachverhandelt. Allerdings gehen viele Beobachter davon aus, dass er das nicht machen wird, stattdessen hat er Großzügig Hilfe im Wert von etwa £150 Mio versprochen. Wo das Geld herkommen soll, dass weiß auch nur er und sein Schatzkanzler.
Für Jakob Rees-Mogg war das Ganze eine heitere Abendveranstaltung. Wirkte er während früherer Unterhausdebatten wie ein Bestattungsunternehmer auf Valium, so macht er jetzt den Eindruck als wäre er auf Speed. Einwände seiner Parteikollegen schmettert er mit einem fröhlichen „nur Geduld…bald springen fröhliche britische Fische in unsere Netze,“ ab. Abgesehen davon, dass Fische keine Nationalität besitzen, beantwortete er auch die Frage nicht, die da lautete, „warum wurden keine Fangquoten vereinbart?“
Die Regierung hat es fertig gebracht, mit leeren Händen nach London zu kommen, und verkauft dies als Erfolg. Obwohl die EU angeboten hat, dass Großbritannien Teil der Zollunion und des Single Market bleibt, hat London das dankend abgelehnt und wundert sich nun, warum es nicht so klappt, wie versprochen.
Hinzu kommt, dass der County Council von Kent darauf besteht, dass die Fuhrunternehmer eine Genehmigung beantragen in Kent einzufahren. Das Tagesticket kostet £50. Da aber nicht alle Transporte abgefertigt werden können, und die Sanitäranlagen noch nicht alle fertig gestellt sind, und es nicht genug Stellplätze gibt, sind die Fahrer gezwungen in umliegenden Ortschaften zu parken. Das hat zur Folge, dass über £600 Strafe fällig werden können.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass europäische Handelspartner es akzeptieren, wenn die Verträge geändert werden und man die Standgebühren bezahlt, nur weil man in London nicht nachgedacht hat.
Verantwortlich für diese Misere, ich erwähnte es am Anfang, sind natürlich alle anderen. An der Seitenlinie steht Nigel Farage, der wie ein Rumpelstilzchen auf und ab springt, denn er hat nun erkannt, dass er sich selbst in‘s Knie geschossen hat. Hauptsache er bekommt seine Pension als ehemaliger EU-Abgeordneter.
Hatte Johnson vorher noch lautstark getönt, dass das NHS nicht zur Disposition steht, klang es diese Woche ganz anders, denn im Falle eines Handelsvertrages ist er bereit das NHS an private ausländische Investoren zu verkaufen, wenn der Preis stimmt. Und um Nägel mit Köpfen zu machen will er ein Gesetz durchbringen, dass Kritik untersagt, und er er dann frei machen kann, was er will.
Ich denke für Schottland und Nordirland ist es an der Zeit zu überlegen, ob sie weiterhin ein Anhängsel bleiben wollen, denn beim Brexit geht es nicht um irgendeine Einheit, es geht darum englischen Großmachtträumen zur Renaissance zu verhelfen. Boris wird man vielleicht demnächst in Kleidung des 15. Jahrhunderts sehen.