Telefonterror

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Eigentlich ist die Sache ganz einfach und durch die EU geregelt. B2C (Business to Customer) calls sind verboten, wenn der Kunde dem nicht explizit durch eine Wiilenserklärung zugestimmt hat.
Die EU wollte damit der Anrufwut einen Riegel vorschieben wo irgendwelche Firmen unbedarfte Rentner in ihrem trauten Heim überfielen und diese allerlei dubiose Artikel verkaufen wollten, quasi Kaffefahrt für zu Hause. Man mußte nicht mehr das Haus verlassen und konnte trotzdem so wunderbare Dinge erwerben wie zum Beispiel eine mundgeklöppelte Rheumadecke aus den Anden für nur 999€, oder eine Flatrate nach Pjöngjang für 60€ im Monat um täglich, ach was heißt täglich, minütlich einen völlig unbedarften Nordkoreaner mit Telefonanschluß zu überfallen.

Mein Vater hatte auf Grund dieses Vorgehens 3 Telefonverträge abgeschlossen und es hat mich nach seinem Tod Wochen gebraucht, bis ich diese Verträge los wurde und meine Mutter endlich ihre Ruhe hatte. Eine Telefongesellschaft war so dreist und meinte wenn ich das Paßwort nicht kennen würde, welches mein Vater eingerichtet hat, dann sollte ich doch meinen verstorbenen Vater bitten, dass er sich mit ihnen in Verbindung setzt. Auf meine Frage hin, ob sie der Meinung sei dass ich jetzt eine Seancé veranstalte, legte sie auf. Aber ok, die Telekom bat mich doch neben der Todesurkunde meiner Mutter einen weiteren Beweis beizubringen. Mit den Nerven zu Fuß und nachdem mein Angebot, ich könne ja ein bisschen Asche in ein Röhrchen abfüllen, abgelehnt wurde sagte ich, „hören Sie, ich weiss wo Sie sitzen und ich weiss gegenüber ist eine AGIP Station…wissen Sie was ich jetzt mache? Ich fahre dort vorbei, kaufe eine Flasche Mineralwasser, trinke die aus und fülle sie mit Benzin, dann gehe ich zu Ihnen rüber und werfe Ihnen einen Molli durch’s Fenster…hat den Vorteil dass Sie Ihren Kunden vielleicht auch mal zuhören. Sind Sie also so gut und schalten endlich den Anschluss ab?“ Auf die Frage ob ich es ernst meinen würde sagte ich, „Ich habe meinen Hund an der Leine und die Autoschlüssel in der Hand“
Hier in Irland war ich von Cold Calls oder Ärger mit Dienstleistern relativ sicher. Ok O2 hat mal angerufen, ich bin in den Shop und wir haben uns gegenseitig in die Augen geschaut und mit Zungenkuss verabschiedet, wie es unter zivilisierten Menschen normal ist.

Aber ansonsten Cold Calls? Kein Gedanke!

Es änderte sich mit unserem Einzug in das Haus in dem wir jetzt leben. Mein Landlord wollte mit dem Anschluss nichts mehr zu tun haben, also schrieben wir den Anschluss um mit dem Erfolg, dass nun wir Beide als Kontaktpersonen eingetragen sind weil UPC es nicht auf die Reihe bekam den Anschluss umzuschreiben. Damit nicht genug kam man auf die Idee die Kunden zu jeder Tages- und Nachtzeit über Neuigkeiten zu informieren in der Hoffnung, dass ein Kunde auf einen seriösen Trickbetrüger um 3 Uhr in der Nacht reinfällt und bereitwillig jeden noch so überteuerten Vertrag akzeptiert der ihm angeboten wird.

Irgendwann schloss UPC seine Callcenter hier in Irland, wahrscheinlich weil die armen Advisor durch einen Burnout lahmgelegt wurden. Also verlegte man den Service auf die Philippinen, wahrscheinlich auf Grund der Sprachbarrieren und bleute den Advisoren ein statt Namen wie Roxas oder Mayari zu verwenden, doch so klangvolle Namen wie Parraigh oder Deidre zu verwenden, die Iren wären ganz verrückt danach. Zweifel bezüglich des Akzents wurden schnell ausgeräumt, „man versteht den irischen Akzent sowieso nicht, also wenn sie Euch hören dann denken sie Ihr seid aus Galway, also kein Problem und lasst Euch von so Kinkerlitzchen wie asiatische Telefonnummer nicht aus der Ruhe bringen, falls das einem suspekt vorkommt seid Ihr einfach irische Austauschstudenten aus Killarney und verdient Euch hier ein wenig Geld. Und so riefen Parraigh und Deidre und all die anderen O’Hanlons arme unschuldige UPC Kunden an, um Ihnen all das zu verkaufen, was UPC bereithielt.

Ich hatte zweimal das Vergnügen von UPC kontaktiert zu werden. Mit philippinischen Akzent wollten mich Jimmy und Marie davon überzeugen doch noch dieses Paket zu erwerben. Sie liessen sich auch von einem genervten Ton nicht abschrecken, „och, dann rufen wir gerne Morgen noch 6 mal an…bis es Ihnen passt, wir sind da Schmerzfrei. Hauptsache sie kaufen.“
Dann übernahm Virginmedia UPC und verlegte die Callcenter, die von UPC wahrscheinlich aus Kostengründen auf die Philippinen verlegt wurden, denn 1600€ Brutto für einen Iren bringen ein Unternhemen hier in Irland ja fast an den Bettelstab, wieder auf die Insel, sehr zur Freude unserer Politiker. „Scheißegal wenn Menschen schlecht bezahlt werden, Hauptsache die Jobs bleiben in Irland.“

Virgin Media verfeinerte das System der Cold Calls wahrscheinlich und ich kann mir Richard Branson vorstellen, wie er vor einem Whiteboard steht und mit Edding seine Vorstellungen von „Direktmarketing“ an’s Board wirft. „Die Leute dürfen gar nicht zum Luft holen kommen, wenn sie nicht an das Telefon gehen, dann ruft man halt eine Minute später an, Tag und Nacht, wir wissen doch was die Kunden wollen….Virgin Media in allen Aspekten. Wenn unsere Kunden schon 200€ für ein Monatsabo ausgeben, dann geht da sicherlich noch mehr, selbst der Anschluss für die Oma im Altenheim.
Nur nicht nachlassen, Ihr wisst, dass die Konkurrenz hier in Irland dünn gesät ist, also müssen wir die Leute weich kochen!“

Letzte Woche hatte ich einen Albtraum. Ich träumte, dass mein Telefon um 3 Uhr in der Nacht klingelte -soweit ich mich noch entsinne spielte es „Happy“ von Pharrell Williams- und am anderen Ende meldete sich eine fröhliche Männerstimme, „Guten Morgen!“ rief sie, „na ist das nicht ein wunderschöner Morgen? Man hört sogar die Nachtigall singen und Sie wissen ja, nur der frühe Vogel fängt den Wurm,“ und lachte fröhlich vor sich hin. „Was wollen Sie,“ fragte ich schlaftrunken und setzte hinzu, „wissen Sie eigentlich wie spät das jetzt ist?“

„Ja es ist früh und wir haben hier Exklusiv , nur für Sie das Early Bird Menu für nur sage und schreibe 1500€ pro Monat! Na wenn das kein Schnäppchen ist, was dann?“ Nachdem ich „FECK OFF!“ in’s Telefon brüllte wachte ich schweißgebadet auf.

Virgin Media ist der beste Beweis wie man, bei einem gesunden Mitbewerb, erfolgreich Kundenbeziehungen zerstört. Dabei können die Mitarbeiter noch nicht mal was dafür, dass das Management sich einen Dreck um ihre Kunden, oder um das irische Recht kümmert was besagt, dass Cold Calls verboten sind, wenn es der Kunde nicht ausdrücklich erlaubt, was wir nie getan haben und dem auch nicht zugestimmt, dass wir zu jeder Tageszeit einen Anruf erhalten.

Die armen Leute dort rufen für einen Hungerlohn frustrierte Kunden an und kriegen den ganzen Ärger ab wenn 10 Minuten vorher nach 12 Stunden Unterbrechung das Internet wieder funktioniert.
Unsere Politiker interessiert es nicht wirklich, Hauptsache die Mitbürger werden von Ihren Landsleuten traktiert und wenn Virgin Media der Meinung ist man muss den maximalen Ertrag erzielen, dann wird man halt wieder von indischen, philippinischen, oder sonst einem Callcenter traktiert. Dabei ist das Schlimme, dass man in Irland wenig Auswahlmöglichkeit hat und Virgin zu einem Exorbitanten Preis, den man nach Gutdünken erhöht, das schnellste Internet bietet.
Schöne neue Welt

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